Download: Befreiung des Strafrechts vom nationalsozialistischen Denken?46.43 KB
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 1
Prof. Dr. Gerhard Wolf
Befreiung des Strafrechts vom nationalsozialistischen Denken? (Fn. 1)
I. Thesen und Forderungen
1 Man tut heute meist so, als sei die Befreiung vom nationalsozialistischem Denken ein längst
abgeschlossener Vorgang, eine inzwischen 50 Jahre zurückliegende Tatsache, die Rechtsgeschichte, für die
aktuelle Strafrechtslehre aber nicht mehr von Bedeutung sei. - Die folgende kritische Bestandsaufnahme
führt zum gegenteiligen Ergebnis.
2 Die beiden zentralen Thesen
3 1. Die heutige Strafrechtslehre nutzt die kollektivistischen, dynamistischen, teleologischen und
antirechtsstaatlichen Elemente der nationalsozialistischen Rechtslehre wie selbstverständlich weiter. Sie ist
in zentralen Teilen ihrer Dogmatik durch gesetzliche Regelungen, Lehrmeinungen und Urteile geprägt, die
auch die Zeit zwischen 1933 und 1945 bestimmt haben und deren katastrophale Konsequenzen das 3.
Reich unter Beweis gestellt haben sollte.
4 2. Die Befreiung des Strafrechts vom nationalsozialistischen Denken besteht in der Rückkehr zu den
rechtsstaatlichen und liberalen Grundlagen des StGB von 1871. Liberales rechtsstaatliches Strafrecht
bedeutet: Trennung von Recht und Politik, und für den Bereich der Justiz: einfache Gesetzesanwendung.
Die gesetzgeberischen Entscheidungen haben dem vorauszugehen, sie sind von anderen Staatsorganen
zu treffen. Es ist entgegen der Ansicht FREISLERS gerade nicht gleichgültig, wer eine Entscheidung erläßt
und wie sie zustandekommt.
5 Die 5 wichtigsten sich daraus ergebenden Forderungen
6 1. Nulla poena sine lege. Das Einvernehmen über dieses rechtsstaatliche Fundament der Strafrechtslehre
darf nicht länger ein Lippenbekenntnis bleiben, es müssen die Konsequenzen gezogen werden.
7 2. Nicht der Täter, sondern die Tat ist strafbar. Von einem Täter kann man nur sprechen, wenn man an eine
nach Tatzeit, Tatort und Tatumständen bestimmte, gesetzlich unter Strafe gestellte Tat anknüpft und sich auf
sie beschränkt.
8 3. Der Gesetzgeber hat eindeutige gesetzliche Regelungen zu schaffen. Er entzieht sich seiner
Verantwortung, wenn er die Klärung ungelöster Probleme der Rechtsprechung aufbürdet oder dem BVerfG
überträgt.
9 4. Die Strafrichter haben sich bei der Beurteilung des Einzelfalls jeder eigenen Bewertung von Täter und Tat
zu enthalten und ausschließlich das Gesetz anzuwenden. Was andernfalls zu geschehen hat, steht in § 336
StGB: Ein Richter, der vorsätzlich ein geltendes Gesetz nicht anwendet, weil er ein anderes Ergebnis für
gerechter, für politisch opportuner oder aus anderen Gründen für zweckmäßiger hält, erfüllt den Tatbestand der
Rechtsbeugung.
10 5. Der Gesetzesinhalt ist durch Gesetzeswortlaut und Gesetzessystematik festgelegt. Im Hinblick auf das
gewünschte Ergebnis vom Gesetzesinhalt abzugehen, ist - logisch zwingend - gesetzwidrig, unabhängig
davon, ob man es "Analogie" oder "teleologische Auslegung" nennt.
11 Diesen rechtsstaatlichen Selbstverständlichkeiten muß wieder zur Geltung verholfen werden.
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 2
Die personelle Kontinuität in der Strafrechtswissenschaft nach 1945
12 Der vielfach erhobene Vorwurf, man habe nach 1945 "großen Frieden mit den Tätern" (Fn. 2) des NSStaates
gemacht, ist für das Strafrecht zumindest nicht aus der Luft gegriffen.
13 Soweit er sich gegen die Strafjustiz richtet, gibt es eine Fülle von Material, die ihn belegt: "Freispruch für die
Nazi-Justiz" (Fn. 3) und "Furchtbare Juristen" (Fn. 4) lauten hier zwei der bekanntesten Buchtitel. Die
Berechtigung dieser Vorwürfe ist zwar im einzelnen umstritten, "in ihrem Kern" (Fn. 5) aber weitgehend
anerkannt.
14 Für die Strafrechtswissenschaft ergibt sich im wesentlichen dasselbe Bild: Zahlreiche führende NSStrafrechtslehrer
konnten nach dem Krieg wieder tätig werden oder tätig bleiben, als ob das 3. Reich in ihrer
Biographie nicht stattgefunden hätte.
15 Ungeachtet der auf CICERO zurückgehenden Warnung "nomina sunt odiosa" müssen Namen genannt
werden. Die Personen sind nicht nur eine "Veranschaulichung" (Fn. 6) , sie sind ein Teil des Problems:
16 - Edmund MEZGER definierte während der Strafrechtslehrertagung 1935 rechtswidriges Handeln als
"Handeln gegen die deutsche nationalsozialistische Weltanschauung" (Fn. 7) . 1944 forderte er
"rassehygienische Maßnahmen zur Ausrottung krimineller Stämme" und die "Ausmerzung volks- und
rasseschädlicher Teile der Bevölkerung". (Fn. 8) Nach 1945 blieb MEZGER Professor in München. Seine
Werke zum Allgemeinen und Besonderen Teil des StGB waren in den fünfziger und sechziger Jahren die
am meisten verbreiteten Lehrbücher.
17 - Im Strafprozeßrecht forderte Heinrich HENKEL 1934 die "freie Hingabe des Richtertums an die Ziele der
Staatsführung". (Fn. 9) Nach 1945 war HENKEL Professor in Hamburg. 1968 legte er in zweiter Auflage ein
weithin anerkanntes Lehrbuch des Strafprozeßrechts vor.
18 - Einer seiner Schüler war Friedrich SCHAFFSTEIN, ein führender Vertreter der nationalsozialistischen
"Kieler Schule". In seiner 1937 erschienenen Schrift "Die Erneuerung des Jugendstrafrechts" wandte sich
SCHAFFSTEIN dagegen, "die vorhandenen ... Kräfte" auf "Erziehungsversuche an erblich Minderwertigen"
"zu verschwenden". "Sentimentaler Individualismus" habe "im neuen Jugendstrafrecht ebensowenig einen
Platz wie im künftigen allgemeinen Strafrecht". (Fn. 10) Nach 1945 blieb SCHAFFSTEIN der herausragende
Vertreter des Jugendstrafrechts. Das von ihm verfaßte Lehrbuch erschien vor kurzem in zwölfter Auflage.
19 - Hans-Jürgen BRUNS habilitierte sich 1938 mit der Schrift "Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen
Denken". Der Monographie ist als Motto ein Zitat des berüchtigten NS-Juristen und späteren
Volksgerichtshofsvorsitzenden Freisler vorangestellt. Sie schließt mit der Forderung: "An die Stelle
juristischer Konstruktionen und strafrechtsfremder gesetzlicher Begriffsumschreibungen" habe "als oberste
Richtlinie" "das gesunde Volksempfinden" zu treten (Fn. 11) . Nach 1945 wurde BRUNS Professor in
Erlangen. Sein Lehrbuch des Strafzumessungsrechts gilt bis heute als Standardwerk, auch seine
nationalsozialistische Habilitationsschrift wird nach wie vor zustimmend zitiert (Fn. 12) - als sei sie völlig
unverfänglich.
20 Die Liste der Strafrechtslehrer, die während des 3. Reiches für ein nationalsozialistisches Strafrecht
eintraten, nach 1945 wieder in Amt und Würden gelangten und bis heute als respektable Vertreter des
Fachs gelten, bietet genügend Stoff für eine gesonderte Abhandlung. Die meisten von ihnen haben
Festschriften bekommen (Fn. 13) . Diese Ehrungen beruhen auf einer stillschweigend akzeptierten
Übereinkunft: Das Verhalten der Jubilare während des 3. Reichs wird verschwiegen oder verharmlost (Fn. 14)
. Man hat nicht nur "großen Frieden" mit den Hauptpersonen der NS-Strafrechtswissenschaft gemacht,
sondern man deckt ihr Versagen bis heute.
21 Das hat zu zahlreichen "empörten" Publikationen (Fn. 15) geführt. Diese "Empörung" ist begründet, aber
wissenschaftlich "zu wenig". (Fn. 16) Es geht letztlich nicht um Personen, nicht um "furchtbare Juristen",
sondern um die Sache, um "furchtbare Rechtswissenschaft". Gerade die weitgehende Identität der Akteure
muß zu der Frage führen, inwieweit eine Befreiung des Strafrechts vom nationalsozialistischen Denken
stattgefunden hat.
22 Diese Frage ist - sehr vorsichtig ausgedrückt - "ein wenig bearbeitetes Forschungsthema": "Neben der ...
konstatierten und zu Recht bedauerten personellen Kontinuität ... kommt die sachliche Kontinuität - zumal im
Strafrecht - zu kurz". (Fn. 17)
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 3
Analyse der wissenschaftlichen Diskussion über die NS-Rechtsideologie
a) Die fehlende Klarheit über die wesentlichen Merkmale der national-sozialistischen Ideologie
23 "Worin besteht - wenn es ihn gibt - der prinzipielle Unterschied zwischen rechtsstaatlich-demokratischem
Strafrecht und nationalsozialistischem Strafrecht. Die Antwort scheint auf der Straße zu liegen". (Fn. 31)
24 Eine Zusammenstellung der auf diese Frage gegebenen Antworten beweist das Gegenteil.
25 Zwar meint man, "Strafrechtsnormen mit typisch nationalsozialistischem Gedankengut ... verhältnismäßig
einfach ausmachen" (Fn. 32) zu können (z.B. das "Blutschutzgesetz" (Fn. 33) , das "Judenstrafrecht" (Fn.
34) oder das "Polenstrafrecht" (Fn. 35) ). Die Beseitigung dieser "evident nationalsozialistischen" (Fn. 36)
Gesetze durch die Alliierten und die frühe Gesetzgebung der Bundesrepublik ist aber keine
wissenschaftliche Antwort auf die gestellte Frage.
26
Alle Versuche, insoweit weiterzukommen, haben mit einem grundlegenden Einwand zu kämpfen: Es ist
bisher nicht gelungen, die Frage zu beantworten, was unter nationalsozialistischer Weltanschauung bzw.
nationalsozialistischem Rechtsdenken zu verstehen ist (Fn. 37) . Im Schrifttum wird vielmehr ganz
überwiegend "die Existenz einer inhaltlich bestimmbaren ´nationalsozialistischen Weltanschauung´ ...
nachhaltig in Frage gestellt". (Fn. 38) Die Begründungen (Fn. 39) leuchten auf den ersten Blick sogar ein:
Die "Konstruktionen" der nationalsozialistischen Lehren seien "´wirr, eine Konsistenz ... nicht vorhanden".
Es wird "von einem Mischkessel, einem Konglomerat, einem Ideenbrei gesprochen". Entsprechend
"unbestimmt und unklar" sei das nationalsozialistische Rechtsdenken. Der heutige Betrachter sei in der
Lage des Fotografen, der einen Nebel auf die Platte bannen" wolle.
27 Folgt man dem, ist die Frage nach der Befreiung des Strafrechts vom nationalsozialistischen Denken nicht
beantwortbar. "Prinzipielle Unterschiede" zwischen dem NS-Staat und einem Rechtsstaat lassen sich auf
dieser Grundlage nicht formulieren - es bleibt alles nebulös. Bei diesen Vorgaben muß der Versuch einer
Auseinandersetzung mit dem 3. Reich scheitern.
28 Dieser kaum faßbare Diskussionsstand ist im Streit über die historische "Kontinuität" oder "Diskontinuität" des 3.
Reichs begründet. Es geht dabei um die Frage, ob zu Beginn und am Ende des 3. Reiches jeweils ein
"Umschlagen" stattgefunden hat oder ob das 3. Reich in einem nicht unterbrochenen historischen
Zusammenhang steht (Fn. 40) . Das wesentliche Anliegen der Anhänger der "Diskontinuitätsthese" (Fn. 41)
ist dabei, die "Einmaligkeit" der NS-Diktatur hervorzuheben. Wer auf übernommene bzw. weiterwirkende
dogmatische Grundlagen hinweise, relativiere und verharmlose damit das 3. Reich.
29 Für den vorliegenden Zusammenhang entscheidend ist die daraus abgeleitete methodische Konsequenz:
Mit den "üblichen geistesgeschichtlichen Maßstäben an die nationalsozialistische Ideologie heranzugehen",
sei, so heißt es, "nur unter großen Vorbehalten" möglich. (Fn. 42)
30 Im Schrifttum wird hiergegen mit Recht eingewandt, daß damit eine Auseinandersetzung mit dem 3. Reich
auch denen unmöglich gemacht wird, die dies "in kritischer Absicht" tun: "Die Einmaligkeit von Auschwitz"
darf nicht "zu einem historiographischen Strudel führen, der ... von Bedingungen und Folgen ablenkt" (Fn.
43) .
31 Die nationalsozialistische Ideologie ohne "geistesgeschichtliche Maßstäbe", d.h. ohne begriffliche Merkmale
zu analysieren, ist ausgeschlossen. Wer demgenüber behauptet, beispielsweise das rechtsstaatliche
Strafrecht sei nicht die Elle, an der man die Strafrechtsentwicklung 1933 bis 1945 sinnvoll messen könne
(Fn. 44) , macht sich die Feststellung, daß der NS-Staat ein Unrechtsstaat war, unmöglich - eine groteske
Konsequenz.
32 Soweit sich das Schrifttum diesem Denk- und Forschungsverbot nicht unterwirft, wird zwar eine Vielzahl
von Merkmalen des nationalsozialistischen Strafrechts genannt, man muß aber einräumen, daß die ermittelten
"Faktoren" "auch das Strafrechtsdenken nichtkonservativer Rechtsdenker vor 1933 und nach 1945" geprägt
haben (Fn. 45) . Die Frage, was nationalsozialistisches Denken ist, bleibt damit offen.
33 Daß es demnach bis heute nicht gelungen ist, den Inhalt der nationalsozialistischen Rechtsideologie
überzeugend zu bestimmen, ist ein Offenbarungseid und ein Alarmzeichen: Wer sich von etwas
distanzieren will, muß wissen, wovon er sich distanziert. Wer versucht, sich von nationalsozialistischem
Denken zu distanzieren, muß wissen, was hierunter zu verstehen ist.
b) Das Versäumnis einer offenen Auseinandersetzung mit den Problemen
34 Im Schrifttum wird die Frage gestellt: "Woran liegt es, daß wesentliche Elemente der Strafgesetzgebung, der
Strafrechtsprechung und überhaupt des Strafrechtsdenkens das Recht jener wie auch unserer Zeit prägen
konnten ?"45a . Die Antwort ist längst gegeben worden. Sie lautet: "Die offene Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus ist nicht erfolgt"45b. "Wenn man die rechts- und methodengeschichtlichen
Darstellungen der Zeit nach 1945 liest, kann man vielfach zu der Auffassung verleitet werden, es habe die
Zeit zwischen 1933 und 1945 in der deutschen Rechtswissenschaft und Rechtspraxis gar nicht
gegeben"45c.
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 4
Die Merkmale der nationalsozialistischen Rechtslehre
35 Die nationalsozialistische Rechtsauffassung ist eine völkisch begründete kollektivistische Rechtslehre, nach
der Recht war, was in das jeweilige politische Konzept des Führers und der Partei paßte.
36 Zur Erläuterung dieser Merkmale müssen hier einige kurze Hinweise genügen:
37 Die nationalsozialistische Rechtslehre ist kollektivistisch. FREISLER schreibt: "Wir gehen nicht mehr vom
einzelnen aus; wir sehen seine Zweckbestimmung nicht im eigenen kleinen Ich. Wir gehen von der
Gemeinschaft aus und sehen den Sinn des Lebens des einzelnen im Leben für die Gemeinschaft" (Fn. 46) .
Rechte des Einzelnen (Menschenrechte, Grundrechte) werden damit verneint.
38 Die dafür gegebenen Begründungen sind völkisch: "Du bist nichts, Dein Volk ist alles". FREISLER schreibt:
"Recht ist, was dem deutschen Volke frommt". (Fn. 47) Und: "Das gesunde Empfinden des Volkes für
Recht und Unrecht bestimmt Inhalt und Anwendung des Strafrechts" (Fn. 48) . In der Konsequenz dieser
völkischen Begründung liegen die rassischen, antisemitischen und nationalistischen Lehren des 3. Reichs.
39 Das zentrale Merkmal der nationalsozialistischen Rechtslehre besteht darin, daß sie lediglich eine Tarnung
für die politische Doktrin ist. Recht ist das politische Programm des Führers und der NSDAP. Recht und
Macht sind dasselbe. Die Wendung, Recht sei, "was dem Volke frommt", ist eine Vernebelung. FREISLER
schreibt: "Das Rechtswollen des Volkes äußert sich autoritativ in den Kundgebunden des Willensträgers des
Volkes, des Führers" (Fn. 49) . Und: "Die autoritativen Kundgebungen des Führers einschließlich des
Parteiprogramms der NSDAP" stehen "rang- und gradmäßig noch über den grundlegenden gesetzlichen
Bestimmungen" (Fn. 50) .
40 Die nationalsozialistische Rechtsideologie diente den Machthabern also ausschließlich als Instrument zur
totalen Herrschaft (Fn. 51) . Jeder Versuch, inhaltlich detaillierte Merkmale nationalsozialistischen
Strafrechts zu finden, ist im Ansatz verfehlt, weil solche Merkmale die Willkür des Führers und der NSDAP
nur einschränken würden. Es wird alles ausschließlich von Führer und Partei bestimmt. Der "Völkische
Beobachter" teilte mit, was gerade galt.
41 Daraus lassen sich drei weitere wesentliche Merkmale ableiten:
42 1. Die nationalsozialistische Rechtslehre ist dynamistisch. FREISLER schreibt: "Es kann kein ein für
allemal fertiges deutsches Recht geben. Das Recht ist in dauernder Entwicklung, und alles muß geschehen,
um sein Erstarren zu verhindern". (Fn. 52)
43 2. Die nationalsozialistische Rechtslehre ist teleologisch. FREISLER schreibt (läßt man den völkischen Bezug
einmal aus): "Recht ist, was ...nützt". Es kommt also nur auf das Ergebnis an. Alles, was die aktuelle
politische Zielsetzung fördert, ist rechtmäßig, alles, was ihr widerspricht, wird unterbunden.
44 3. Die nationalsozialistische Rechtslehre ist rechtsstaatsfeindlich. Gesetzesbindung und Gewaltenteilung
werden verneint. FREISLER schreibt: "Wir fordern von einem Staat, der in unserem Sinne Rechtsstaat
sein will, mehr als die Welt gemeiniglich verlangt ...Rechtsstaat ist derjenige Staat, in dem das
Lebensrecht des Volkes am verantwortungsbewußtesten gewahrt wird". (Fn. 53) Der alleinige Inhalt dieses
Wortgeklingels ist: Rechtsstaatliche Schranken gegenüber dem Einzelnen gibt es nicht.
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 5
Befreiung des Strafrechts von den Merkmalen der nationalsozialistischen Rechtslehre
45 Durch den politischen Zusammenbruch mußte auch die nationalsozialistische Rechtslehre in sich
zusammenstürzen, weil es die für sie inhaltlich konstitutive Führung durch Adolf HITLER und die NSDAP
plötzlich nicht mehr gab. Die Umwälzungen, die zur Gründung der Bundesrepublik führten, haben damit das
zentrale Element der nationalsozialistischen Rechtslehre beseitigt - ihre unmittelbare und ausschließliche
Festlegung durch die politische Führung.
46 Das heutige Strafrecht ist folglich nicht nationalsozialistisch. Es ist nicht nur nicht "typisch
nationalsozialistisch", sondern überhaupt nicht "nationalsozialistisch", eben weil ihm ein dafür wesentliches
Merkmal fehlt.
47 Ebenso exakt und unvoreingenommen muß man allerdings die Frage nach der Befreiung von den übrigen
Merkmalen der nationalsozialistischen Rechtslehre beantworten:
48 1. "Wir gehen nicht mehr vom Einzelnen aus" (Kollektivismus)
2. "Das Recht ist in dauernder Entwicklung" (Dynamismus)
3. "Recht ist, was ... nützt" (Teleologie)
4. "Ob die Entscheidungen der materiellen Gerechtigtkeit ... entsprechen, ist viel wichtiger, als wer sie erläßt
und wie sie zustandekommen" (Rechtsstaatsfeindlichkeit)
49 Sind diese - wörtlich von FREISLER (Fn. 54) - stammenden Sätze heute überwunden ? Oder kann man sie
bedenkenlos übernehmen ?
50 Beide Fragen sind zu verneinen: Die Befreiung von den kollektivistischen, dynamistischen und
teleologischen Lehren des 3. Reichs wäre rechtsstaatlich zwingend erforderlich gewesen. Sie ist mißlungen.
51 Das Material, das sich zur Begründung dieser Thesen anführen läßt, ist erdrückend.
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 6
Übernahme nationalsozialistischer Gesetze nach 1945
a) Überblick
52 Bei der Suche nach Relikten des 3. Reichs stellt man zunächst fest, daß "ein beachtlicher Teil" (Fn. 18) der
heute geltenden Strafgesetze aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 stammt:
53 Die geltende Fassung des § 211 StGB (Mord) geht auf das Jahr 1941 (Fn. 19) zurück, die §§ 240 und 253
(Nötigung und Erpressung) auf das Jahr 1943 (Fn. 20) . Der Untreuetatbestand beruht auf einer
grundlegenden Neufassung im Jahr 1933 (Fn. 21) .
54 Keine einzige der in den Beispielen aufgeführten, grundlegenden Änderungen des Strafrechts im Dritten
Reich wurde nach 1945 rückgängig gemacht. Durch das sog. Strafrechtsbereinigungsgesetz von 1953 wurde
vielmehr festgeschrieben, daß "soweit der Entwurf nicht eingreift, Änderungen des Strafgesetzbuchs durch
die Gesetzgebung der nationalsozialistischen Zeit ... anerkannt werden". (Fn. 29)
55 Man hat also nach 1945 nicht etwa auf die Gesetzeslage vor 1933 zurückgegriffen und anschließend geprüft,
welche während des 3. Reichs vorgenommenen Änderungen unverdächtig waren, so daß sie ausnahmsweise
übernommen werden konnten, sondern man hat sämtliche Änderungen akzeptiert, soweit sie nicht im
einzelnen als rassisch, völkisch usw. aufgehoben wurden. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß zwischen
diesen beiden Vorgehensweisen im Ergebnis Welten liegen.
56 Diese Tatsachen sind - neben der personellen Kontinuität - ein weiteres Indiz dafür, daß ein radikaler Bruch
mit den geistigen Grundlagen des 3. Reichs nicht stattgefunden hat. Sie lassen aber kein abschließendes
Urteil zu. Es gibt - unbezweifelbar - Gesetze, die zwar aus der Zeit des 3. Reiches stammen, ihrem Inhalt
nach aber nicht nationalsozialistisch sind, z.B. § 1 des Gesetzes vom 7. März 1935: "Gerichtsferien finden
nicht statt" (Fn. 30) .
57 Daraus ergibt sich die Frage: Welche der auf das 3. Reich zurückgehenden Strafgesetze sind ihrem Inhalt
nach nationalsozialistisch und welche nicht ?
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 7
b) Beispiele für die Übernahme nationalsozialistischer Gesetze
1) Nötigung
58 Der wohl eindrucksvollste Beleg für die Übernahme rechtsstaatswidriger nationalsozialistischer Strafgesetze
ist der Tatbestand der Nötigung.
59 § 240 StGB lautetete ursprünglich: "Wer einen anderen widerrechtlich durch Gewalt oder durch Bedrohung
mit einem Verbrechen oder Vergehen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird ...
bestraft." (Fn. 55) Diese Fassung wurde 1943 dahingehend geändert, daß schon eine "Drohung mit einem
empfindlichen Übel" (Fn. 56) den Tatbestand erfülle. Die damit uferlos erweiterte Fassung wurde scheinbar
durch den neu eingefügten Abs. 2 eingeschränkt, der zunächst folgenden Wortlaut hatte: "Rechtswidrig ist die
Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Zufügung des angedrohten Übels zu dem angestrebten Zweck
dem gesunden Volksempfinden widerspricht." (Fn. 57) Das "gesunde Volksempfinden" wurde dann später -
übrigens erst im Jahre 1953 (Fn. 58) - durch die sprachlich unverfänglichere, sachlich aber
gleichbedeutende "Verwerflichkeit" der sog. Zweck-Mittel-Relation ersetzt.
60 Diese redaktionelle Änderung war überflüssig. Der Bundesgerichtshof hatte die Bezugnahme auf das
"gesunde Volksempfinden" schon 1951 ausdrücklich gerechtfertigt, indem er ausführte: "Absatz 2 ist seinem
wirklichen Gehalt nach dahin zu verstehen, daß der Richter bei der Abgrenzung des strafwürdigen Unrechts
von nicht strafwürdigem Verhalten ... auf das Rechtsempfinden des Volkes zu achten hat. Das ist ein alter
Grundsatz rechtsstaatlicher Strafrechtspflege". Verboten sei "nur, daß der Richter nach angeblichem
gesundem Volksempfinden, d.h. willkürlich, strafe". (Fn. 59)
61 Daß dem Richter bei dieser Gesetzesfassung in Wahrheit gar nichts anderes übrig bleibt, als willkürlich zu
entscheiden, stellte der BGH dann ein Jahr später selbst fest:
62 "Der Gesetzgeber hat ... die Grenzen des Nötigungstatbestands so weit gezogen, daß er nunmehr auch
ungezählte Fälle des täglichen Lebens erfaßt, in denen die Nötigung trotz Drohung mit einem empfindlichen Übel für
das natürliche Rechtsgefühl rechtmäßig ist ... Hier fällt deshalb dem Richter die Aufgabe zu, anstelle des
Gesetzgebers durch unmittelbare Wertung zu entscheiden, ob die tatbestandsmäßige Nötigung im Einzelfalle
rechtswidrig ist oder nicht". (Fn. 60)
63 Der BGH räumt damit den Verstoß gegen das Erfordernis der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafbarkeit
offen ein. Wann eine Tat verwerflich und damit strafbar ist, ergibt sich nicht aus dem Gesetz, sondern wird
durch unmittelbare Wertung vom Richter festgelegt. (Fn. 61) Dabei hat dieser nicht einmal einen
gesetzlichen Anhaltspunkt dafür, wann die Verwerflichkeit zu bejahen und wann sie zu verneinen ist:
64 Ist eine Sitzblockade verwerflich, wenn durch sie gegen das Wettrüsten oder gegen das Verklappen von
Giften in der Nordsee demonstriert werden soll ? Oder kommt es auf diese sog. Fernziele gar nicht an, so
daß es selbstverständlich verwerflich ist, einfach eine Straße zu blockieren. (Fn. 62) Diese Fragen muß der
Richter nach § 240 Abs.2 "durch unmittelbare Wertung", also frei entscheiden.
65 Die durch das Merkmal Verwerflichkeit eröffnete willkürliche Handbarkeit des Nötigungstatbestands hat den
Gerichten nicht genügt. Denn selbst verwerfliche Nötigungen können nach § 240 nur bei Anwendung von
Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel bestraft werden. Da man dies als sachwidrige
Einengung empfand (und die Gesetzesfassung ist in der Tat problematisch, weil sie nicht jeden Zwang
erfaßt), wurde der Gewaltbegriff ständig erweitert: Gewalttäter sind danach selbst Sitzblockierer, die gewaltlos,
aber eben doch irgendwie "gewaltsam" auf der Straße sitzen.
66 Vor knapp zehn Jahren hat sich endlich das BVerfG mit dieser gesetzwidrigen Rechtsprechung und der
Unbestimmtheit des Merkmals Verwerflichkeit beschäftigt. Der erste Leitsatz der Entscheidung von 1986
lautet:
67 "Soweit in § 240 StGB Nötigungen mit dem Mittel der Gewalt unter Strafe gestellt werden, genügt die
Normierung durch den Gesetzgeber dem ... Bestimmtheitsgebot". (Fn. 63)
68 Nach diesem Auftakt erwartet man eine Antwort auf die Frage, welche Konsequenzen sich aus der danach
eindeutigen Bestimmung für die Beurteilung von Sitzblockaden ergeben. Der nächste Satz lautet jedoch:
"Infolge Stimmengleichheit kann nicht festgestellt werden, daß das ... Analogieverbot verletzt wird, wenn
Gerichte die Gewaltalternative des § 240 auf Sitzdemonstrationen erstrecken". (Fn. 64)
69 Im 2.Leitsatz stellt das Gericht fest, daß die sog. Verwerflichkeitsklausel nach Abs.2 verfassungskonform
auszulegen und anzuwenden, also ebenfalls inhaltlich bestimmt sei. Dann geht es wie schon zuvor weiter:
70 "Infolge Stimmengleichheit kann nicht festgestellt werden, daß es von Verfassungs wegen in der Regel (!)
zu beanstanden ist, wenn Strafgerichte Sitzdemonstrationen ... als verwerflich .... beurteilen". (Fn. 65)
71 Die Verfassungsrichter waren sich also sicher, daß das Merkmal Verwerflichkeit ebenso wie das Merkmal
Gewalt einen bestimmten Inhalt hat - welchen, konnten sie aber "infolge Stimmengleichheit" leider nicht
feststellen.
72 Inzwischen hat das BVerfG eine erste Konsequenz aus dem Scheitern seiner Bemühungen gezogen. In
einer Entscheidung vom 10. Januar 1995 hat es festgestellt:
73 "Die erweiternde Auslegung des Gewaltbegriffs ... im Zusammenhang mit Sitzdemonstrationen verstößt
gegen Art. 103 Abs.2 GG" (also gegen das Erfordernis der gesetzlichen Bestimmtheit)". (Fn. 66)
74 Die Erklärung für diesen Sinneswandel ist einfach: Es hatte ein Wechsel in der Besetzung des Gerichts
stattgefunden, so daß es plötzlich "5:3" stand. (Fn. 67)
75 Die Kabarettreife dieser Nummer, auf deren Fortsetzung man gespannt sein darf, darf nicht den Blick für die
rechtsstaatliche Unhaltbarkeit der Situation und ihre historischen Gründe verstellen:
76 Für die nationalsozalistische Ideologie waren Scheingesetze wie § 240 Abs.2 StGB Machtinstrumente, die
sich konsequent und willkommen in das System einfügten. Der Jude - wird bestraft, der Pole - wird bestraft,
der Nationalsozialist - bleibt straffrei. Ein dogmatischer Bruch mit dieser Linie ist nicht zu erkennen. (Fn.
68) Die politischen Vorzeichen haben sich geändert: Inzwischen geht es um den NATO-Doppelbeschluß und
Atomtransporte. Die Willkür ist geblieben: Ein Sitzblockierer, der eine Kaserne blockiert, handelt verwerflich.
Bauern, die die Rheinbrücke in Bonn durch Auskippen von Mist unpassierbar machen, bleiben straffrei.
Demonstranten, die Shell-Tankstellen blockieren, um gegen die Versenkung einer Bohrinsel in der
Nordsee zu protestieren, erfahren sogar einhelliges Lob aus Parlamenten und Regierungen.
77 Das Zwischenergebnis lautet: "Eine der vagesten und damit weitesten Vorschriften des Strafgesetzbuchs
verdankt ihre Entstehung der NS-Strafgesetzgebung" (Fn. 69) . "Anlaß zur Nachdenklichkeit" (Fn. 70) sieht
deshalb kaum jemand. Konsequenzen aus dem Satz "nulla poena sine lege" werden nicht gezogen.
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 8
2) Mord
78 Ein zweites Beispiel für die Übernahme rechtsstaatswidriger gesetzlicher Regelungen aus dem 3. Reich ist
der Tatbestand des Mordes, also § 211 StGB. Die klare Fassung von 1871, nach der wegen Mordes
bestraft wurde, wer einen anderen Menschen "mit Überlegung" tötet, bereitete kaum Probleme - die
Kommentierung dieses Merkmals im Jahr 1931 bei Frank nahm ungefähr eine Seite in Anspruch. Die auf
das Jahr 1941 zurückgehende heutige Fassung (Fn. 71) beruht auf dem nationalsozialistischen
Täterstrafrecht (Fn. 72) . Sie ist ein Freibrief für den Richter, im Einzelfall so zu entscheiden, wie er will.
Insbesondere das Merkmal ´niedrige Beweggründe´ ist eine Einladung an ihn, entweder seiner moralischen
Entrüstung über den Angeklagten freien Lauf zu lassen, oder aber - immerhin bei der Tötung eines Menschen -
Verständnis für ihn aufzubringen. Die Entscheidung über Mord oder Totschlag, lebenslange oder zeitige
Freiheitsstrafe liegt damit allein beim Richter.
79 In das Konzept des 3. Reichs fügte sich diese Freiheit des Richters wie gesagt problemlos ein. Daß sie auch
heute noch befürwortet wird, beruht darauf, daß man das andernfalls drohende Ergebnis scheut: In der
Kommentierung zu § 211 heißt es: Daß in bestimmten Fällen "die Möglichkeit bestehen sollte, der Konsequenz
der sonst absoluten lebenslangen Freiheitsstrafe zu entgehen, wird allgemein eingeräumt. Strittig ist jedoch
der dabei einzuschlagende Weg" (Fn. 73) . Das bedeutet: Wir machen das so, der Grund dafür muß sich
finden lassen (Fn. 74) . Man fragt sich allerdings mittlerweile, warum dieser Begründungsaufwand überhaupt
noch betrieben wird. Das BVerfG hat sich bei der Ersetzung der nach § 211 "lebenslangen Freiheitsstrafe"
durch eine auf fünfzehn Jahre beschränkbare Freiheitsstrafe (Fn. 75) weit souveräner über das Gesetz
hinweggesetzt.
3) Untreue
80 Ein drittes Beispiel für die Übernahme nationalsozialistischer Gesetze ist der Tatbestand der Untreue: § 266
StGB bezog sich bis zu seiner Neufassung im 3. Reich auf Angehörige im einzelnen aufgezählter Berufe, die
absichtlich zum Nachteile derer handeln, deren Geschäfte sie besorgen. (Fn. 76) Im Jahr 1933 wurde diese
Bestimmung durch zwei allgemeine Tatbestände ersetzt. (Fn. 77) Der eine, der sog. Treubruchstatbestand
wird in einem Lehrbuch angesichts seiner "uferlosen Weite" "seit jeher als rechtsstaatlich problematisch
eingestuft und als kaum vereinbar mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs.2 GG angesehen". (Fn.
78) "Rechtsprechung und Lehre haben indes versucht, dem Tatbestand durch eine restriktive
Interpretation ... schärfere Konturen zu geben" (Fn. 79) . Man beachte die Wortwahl: "kaum vereinbar",
"restriktive Interpretation", "schärfere Konturen". Trotz der nationalsozialistischen Herkunft der Bestimmung
scheut man auch hier die einfache Feststellung, daß die Gesetzesfassung unbestimmt ist. Man versucht, im
Einzelfall doch noch irgendwie zu "befriedigenden" Ergebnissen zu kommen. (Fn. 80) Erinnert sei noch
einmal an das FREISLER-Zitat: "Ob die Entscheidungen der materiellen Gerechtigkeit ... entsprechen, ist
viel wichtiger, als wer sie erläßt und wie sie zustandekommen".
4) Weitere Beispiele
81 Die Strafbarkeit der Unterlassenen Hilfeleistung ist 1935 (Fn. 22) , der Tatbestand des Vollrauschs ist 1941
in das StGB eingefügt worden (Fn. 23) . 1943 wurde die heutige Fassung der Urkundenfälschung (Fn. 24) ,
1944 die der Eidesdelikte (Fn. 25) aufgenommen. Die sog. Verkehrsunfallflucht (Fn. 26) , der Ausschluß
der Einwilligung in eine "sittenwidrige" Körperverletzung (Fn. 27) , sämtliche Maßregeln der Besserung und
Sicherung (Fn. 28) - alles das stammt aus der Zeit der Nationalsozialismus.
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 9
Weiternutzung der nationalsozialistischen Rechtsgedanken durch die heutige Strafrechtslehre
82 Noch deutlicher als im Besonderen Teil hat die nationalsozialistische Rechtslehre in den heutigen
Auffassungen zum Allgemeinen Teil des StGB ihre Spuren hinterlassen.
a) Die Abkehr vom Tatstrafrecht zum Täterstrafrecht
83 In einem 1994 erschienen Lehrbuch zum Allgemeinen Teil heißt es: "Es ist unbestritten, daß das geltende
Recht überwiegend ein Tatstrafrecht ist" (Fn. 81) . Diese Feststellung enthält ein Teilgeständnis: Der Autor
räumt damit ein, daß das geltende Recht auch Täterstrafrecht sei. Er weist aber selbst darauf hin, "daß ein
Strafrechtssystem vollkommen verschieden aufgebaut sein muß, je nachdem, ob man ein Tat- oder ein
Täterstrafrecht zugrundelegt". (Fn. 82) Mit dem Einbruch täterstrafrechtlicher Elemente ist daher das
Tatstrafrecht aus den Angeln gehoben worden.
84 Die nationalsozialistische Position in dieser Frage hatte SCHAFFSTEIN 1934 wie folgt formuliert: "Das
neue Strafrecht ist Täterstrafrecht, freilich in einem durchaus anderen Sinne als das Strafrecht LISZTS und
der sozialliberalen Vergangenheit. Denn es geht nicht aus von der natürlichen, soziologischen und
biologischen Individualität des Täters, sondern von der jeweiligen Gliedstellung des Täters in der
Volksgemeinschaft." (Fn. 83)
85 Was aufgrund dieser Konzeption mit dem Täter geschehen kann, liegt auf der Hand: SCHAFFSTEIN spricht
insoweit von der "Ausscheidung des Entarteten" (Fn. 84) , v. LISZT war kaum weniger zimperlich (Fn. 85) .
86 Das dogmatisch entscheidende Merkmal des Täterstrafrechts ist jedoch der Gegensatz zum Tatstrafrecht,
also die Preisgabe der Tat und des Tatbestands als Grenze der Strafbarkeit. Welche Taten strafbar sind,
ist in einem Tatstrafrecht durch einzelne, exakt bestimmte begriffliche Merkmale gesetzlich festgelegt.
Georg DAHM, ebenso wie SCHAFFSTEIN ein Vertreter der Kieler Schule, erklärte daher: "Begriff und Wort
des Tatbestandes sollten aus der Strafrechtsdogmatik verschwinden. Die Lehre vom Tatbestand ist nicht
nur unfruchtbar, sondern schädlich". (Fn. 86)
87 Die "Bewertung" der Täterpersönlichkeit eröffnet dagegen alle gewünschten Freiräume. Geht man von einem
täterstrafrechtlichen Ansatz aus, kommt es gar nicht mehr darauf an, ob jemand ein Verbrechen begeht
oder versucht (Fn. 87) , schon die Planung einer Straftat beweist, daß er bestraft gehört. Entscheidend ist, ob
er ein "Verbrechertyp" ist oder nicht. DAHM schrieb 1934 zu der Frage, ob man Diebstahl annehmen
müsse, wenn die Hitler-Jugend einer katholischen Jugend-Organisation die Fahne entreißt und verbrennt:
"Wir nehmen keinen Diebstahl an, weil Dieb nicht ein jeder ist, der ´eine fremde bewegliche Sache einem
anderen in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zuzueigenen´, sondern nur, wer seinem
Wesen nach Dieb ist". (Fn. 88)
88 Diese "Subjektivierung" des Strafrechts ist nach 1945 nicht aufgegeben worden. Beispielsweise die
fakultative Strafmilderung beim versuchten Delikt und bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit sind
anerkanntermaßen ebenso "eine Frucht täterstrafrechtlichen Denkens" wie die Maßregeln der Besserung und
Sicherung. Ein aufschlußreiches Symptom für den bis heute fortbestehenden Einfluß der täterstrafrechtlichen
Lehren sind deren Konsequenzen im Strafprozeß, die ein Richter am Bundesgerichtshof Ende der 60er
Jahre wie folgt zusammenfaßte: Vor dem 3. Reich "begannen Urteilsgründe mit dem Satz: ´Der Angeklagte
stieg in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember in die Villa des Kaufmanns Meyer ein ...´, heute
beginnen sie mit dem Satz: ´Der Angeklagte wurde als achtes von dreizehn Kindern eines Weichenstellers
geboren.´ ... Das ist nicht unbedingt eine Verbesserung". Seine Bemerkung, daß wir "glücklicherweise immer
noch ein Strafrecht haben und fürs erste behalten werden, das in seinen einzelnen Tatbeständen jeweils an
Geschehnisse in der Außenwelt anknüpft", beweist, wie schwach diese Position gegenüber den
täterstrafrechtlichen Einflüssen geworden ist.
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 10
b) Die Auffassung des Verbrechens als Pflichtverletzung
89 Die Auffassung des "Verbrechens als Pflichtverletzung" hängt mit dem Täterstrafrecht eng zusammen: Nach
beiden Lehren kommt es allein auf den Täter, nicht auf das Verbrechensopfer an. Die dogmatischen
Konsequenzen, die sich aus der Ersetzung des Begriffs Rechtswidrigkeit durch den Begriff Pflichtwidrigkeit
für die Verbrechenslehre ergeben, sind noch gravierender als die Abkehr vom Tatstrafrecht.
90 SCHAFFSTEIN schrieb 1933: "Ein am Gemeinschaftsgedanken ausgerichtetes Strafrecht" ist "nicht
Rechtsgutsverletzungsstrafrecht, sondern Gesinnungsstrafrecht" und "Pflichtenstrafrecht" (Fn. 89) . Als
"Auswirkungen des Pflichtverletzungsgedankens in der Strafrechtsdogmatik" nennt SCHAFFSTEIN
zutreffend die "subjektive Auffassung der Rechtswidrigkeit", "auf dem Gebiet der Schuld und des Versuchs
das ... (sog.) Willensstrafrecht, die Auswirkungen auf die "unechten Unterlassungsdelikte" und die
"Folgerungen ... für Inhalt und Grenze des Notstands". "Die Auffassung des Verbrechens als
Pflichtwidrigkeit" führte daher, wie SCHAFFSTEIN zutreffend hervorhob, zu "einer völligen Revolutionierung
der inneren Struktur und damit auch der Begriffswelt des Strafrechts". (Fn. 90)
91 Diese "Revolutionierung" hat bis heute Bestand. Die noch zu Beginn des Jahrhunderts überwiegende
Ansicht, Recht sei eine objektive Ordnung menschlichen Zusammenlebens, deren Störung eben
rechtswidrig sei (Fn. 91) , ist radikal zurückgedrängt worden. "Unvermindert aktuell" ist dagegen die Lehre,
nach der der Begriff Unrecht "täterbezogen" sei (Fn. 92) Vor allem die finale Handlungslehre hat hierzu
entscheidend beigetragen. "Eine neuere Richtung" "will" sogar "in genauer Umkehrung der früheren
erfolgsorientierten Lehren das strafrechtliche Unrecht und damit auch den Tatbestand ausschließlich auf
den Handlungsunwert gründen". (Fn. 93)
92 Auf die Sachfagen kann im vorliegenden Zusammenhang nicht eingeganen werden. Entscheidend ist hier,
daß im 3.Reich insoweit eine - wie SCHAFFSTEIN sagt - "Revolutionierung" stattgefunden hat. Die
wesentlichen Ergebnisse dieser Revolution sind elementare Bestandteile der heutigen Strafrechtslehre.
Eine Diskussion über die sich aufdrängenden Parallelen findet nicht statt.
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 11
c) Die Mißachtung der Gesetzesgebundenheit des Richters
93 Carl SCHMITT stellte 1935 kurz und bündig fest: "Das Gesetz ist Wille und Plan des Führers" (Fn. 94) .
Gesetzesinhalt, Gesetzesgebundenheit, Analogieverbot, Rückwirkungsverbot, Legalitätsprinzip usw. - kurz:
die Grundbegriffe der Straf- und Strafprozeßrechtslehre - fallen damit "stützenlos in sich zusammen". (Fn. 95)
Schmitt setzte dem "rechtsstaatlichen 'nulla poena sine lege' den Gerechtigkeitssatz 'nullum crimen sine
poena' entgegen". Folgerichtig wurde ein Jahr später das Analogieverbot in § 2 StGB durch ein
Analogiegebot (Fn. 96) ersetzt: Bestraft wurde danach auch diejenige Tat, die das Gesetz nicht für strafbar
erklärt, die aber nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden
Bestrafung verdient.
94 Diese Änderung wurde nach 1945 rückgängig gemacht: Der Satz nulla poena sine lege wurde gleichlautend
in § 1 Strafgesetzbuch und in Art. 103 Abs.2 GG aufgenommen. Beachtet wird er bis heute nicht. Der
Hauptsündenfall liegt dabei nicht etwa (wie im Falle der Nötigung) bei der Prüfung der Bestimmtheit von
Straftatbeständen, sondern bei der Auslegung und Anwendung völlig eindeutiger Gesetze. Das bekannte
Schulbeispiel zu dieser Problematik ist der folgende Fall:
95 Dem Preußischen Gesetz betr. den Forstdiebstahl zufolge war für den Diebstahl eine schwerere Strafe zu
verhängen, wenn "zum Zwecke des Forstdiebstahls ein bespanntes Fuhrwerk, ein Kahn oder ein Lasttier
mitgebracht ist". Der Bundesgerichtshof hat bei der Anwendung dieses Gesetzes im Jahre 1957
festgestellt: "Dem bloßen Wortlaut nach fällt ein Kraftfahrzeug, wie es die Angeklagten zur Ausführung des
Forstdiebstahls verwendet haben, allerdings nicht unter die Vorschrift, wohl aber nach ihrem Sinn". (Fn.
97) - Ein Nichtjurist, der ernstlich glaubt, ein Auto sei ein bespanntes Fuhrwerk, würde vermutlich in einer
psychiatrischen Anstalt untergebracht - zumindest zur Beobachtung. Der BGH bemerkt zwar die
Unterschiede zwischen den genannten Fahrzeugarten, er meint aber, auf sie komme es juristisch nicht an.
Der Kunstgriff, mit dem er die Gesetzwidrigkeit seiner Rechtsprechung kaschiert, lautet "teleologische
Auslegung".
96 Diese angebliche Auslegungsmethode, die bis heute nicht nur anerkannt ist, sondern "normalerweise für
entscheidend" (Fn. 98) gehalten wird, geht maßgeblich auf die 1930 erschienene Schrift "Teleologische
Begriffsbildung" von Erich SCHWINGE (Fn. 99) zurück. Sie erfüllt sowohl der Bezeichnung als auch der
Sache nach eines der genannten Merkmale der nationalsozialistischen Rechtslehre. SCHAFFSTEIN
erkannte dementsprechend ausdrücklich an, daß die teleologische Auslegung im Strafrecht zur "Auflösung der
liberalen rechtsstaatlichen Gewaltentrennung und Zurücksetzung von Rechtssicherheit und Berechenbarkeit
gegenüber anderen und neuen Rechtswerten" geführt habe. (Fn. 100)
97 Dies reichte den Nationalsozialisten aber nicht aus. SCHWINGE stand daher mit der von ihm verlangten
"teleologischen Auslegung" sogar "in entschiedenem Gegensatz" "zu den zur Kieler Richtung gehörenden
Strafrechtlern" (Fn. 101) . Das ändert aber nichts daran, daß auch seine eigene Auffassung, also schon die
"teleologische Begriffsbildung" es dem Richter ermöglicht, "einen bestimmten weltanschaulich fixierten Sinn
und Zweck zu unterlegen und diesen dann gegen den Wortlaut des Gesetzes aus(zu)spielen" (Fn. 102) .
Damit wird "den Richtern ermöglicht, den Gesetzesbruch als Gesetzesinhalt hinzustellen". (Fn. 103)
98 Die bedenkenlose Übernahme der "teleologischen Auslegung" nach 1945 verkennt, daß diese "noch
heimtückischer" als die gesetzliche Zulassung der Rechtsanalogie zuungusten des Täters war. Sie kommt
nur "auf diskreterem Weg zum selben Ergebnis". (Fn. 104)
99 Der Grund für die Weigerung, nach 1945 zu einer strikten Beachtung des Gesetzeswortlauts
zurückzukehren, lag und liegt bis heute in der Befürchtung, dieser Schritt würde auch dort "zu engherziger
Auslegung" nötigen "wo ein dringendes und ernstes Strafbedürfnis besteht". "Mit bloßer Rückkehr zu formaler
Gesetzestreue läßt sich also der Schaden nicht heilen". "Was durch den deutschen Wortlaut einigermaßen
erfaßt wird, und was auch in der Rechtsprechung der anderen zivilisierten Länder als strafbar gilt, muß auch
bei uns bestraft werden". (Fn. 105) Der Richter, der sich nur ans Gesetz hält, wird als
"Subsumtionsautomat" diffamiert.
100 In der Konsequenz dieser allseits akzeptierten Auflehnung der Gerichte gegen die Gesetzesgebundenheit
liegt der Übergang vom Rechtsstaat zum Richterstaat, und, wenn man dem Richter dabei die Befugnis
einräumt, ungebunden das tun, was er für richtig hält, zum Willkürstaat. Der nationalsozialistische Staat war
keineswegs nur, aber auch deswegen ein Unrechtsstaat, weil er kein Gesetzesstaat war. (Fn. 106)
101 Die Schlüsselfrage, um die es im Strafrecht bis heute geht, lautet: Gilt der Satz "nulla poena sine lege" oder
gilt er nicht ? Wenn er gilt, hat er den Inhalt, daß die Strafbarkeit, und zwar abschließend, gesetzlich bestimmt
ist. Der Richter erkennt nur, ob die Tat dem Gesetz zufolge strafbar ist. Der Gesetzesinhalt wird durch
einzelne Tatbestandsmerkmale bestimmt, die insbesondere von der Strafrechtswissenschaft zu definieren
sind. Diese Konzeption schließt aus, daß der Beurteiler eigenständig über die Strafbarkeit entscheidet, also
etwas dazutut, was im Gesetz nicht enthalten ist. Das ist keine "formale Gesetzestreue", sondern nichts
anderes als eine Respektierung der rechtsstaatlich unabdingbaren Gewaltenteilung.
HFR 1996, Beitrag 9, Seite 12
II. Die Absicherung des Ergebnisses
102 Es wäre eine Illusion, bereits im voraus alle möglichen Einwände ausräumen zu wollen, die gegen die hier
vertretene Auffassung vorgebracht werden können. Vorgebeugt werden muß jedoch dem naheliegenden
Einwand, daß es für die beanstandeten heutigen Auffassungen auch andere, historisch unverfänglichere
Wurzeln als das 3. Reich gebe, z.B. die freie Rechtsschule, die Interessenjurisprudenz, den
strafrechtlichen Schulenstreit usw. Dazu nur drei Feststellungen:
103 1. Die nationalsozialistische Rechtslehre ist sicherlich nicht "vom Himmel gefallen", sie war - ungeachtet
aller Diskontinuitätsthesen - historisch vorbereitet. (Fn. 110) Daher reichen in der Tat viele der hier
angegriffenen Entwicklungen in die Zeit vor 1933 zurück.
104 2. Die Frage, ob die rechtsstaatswidrigen Elemente der heutigen Strafrechtslehre ausschließlich oder
teilweise nationalsozialistischen Ursprungs sind oder ob beide "nur" auf denselben Wurzeln beruhen, ist
eine strafrechtshistorische Frage, die nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist. Es geht hier nicht
um die Rekonstruktion historischer Zusammenhänge, sondern um die rechtsstaatliche Haltbarkeit der
heutigen Auffassungen. Bei dieser Prüfung ist der Vergleich mit der nationalsozialistischen Rechtsideologie
ein aufschlußreiches Hilfsmittel.
105 3. Soweit hier angegriffene Auffassungen nicht originär nationalsozialistisch sind, die Nationalsozialisten sie
also lediglich übernommen haben, lag die nationalsozialistische Rechtslehre zumindest in der Konsequenz
dieser Auffassungen. Man muß folglich selbst in diesem Fall zur Kenntnis nehmen, wozu diese Grundlagen
führen, wenn sie, wie im Dritten Reich geschehen, mit brutaler Konsequenz auf die Spitze getrieben
werden. (Fn. 111)
Fussnoten
Fn. 1: Antrittsvorlesung, gehalten am 4.7.95 an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).
Erstveröffentlichung in: JuS 1996, Heft 3 S. 189 ff. Wir danken der Juristischen Schulung und dem C.H.
Beck - Verlag in München für die Genehmigung zu dieser Veröffentlichung.
Fn. 2: So die Formulierung von Ralph Giordano, Die zweite Schuld, Hamburg 1987, S. 11, 85 ff.
Fn. 3: Jörg Friedrich, Freispruch für die Nazi-Justiz. Die Urteile gegen NS-Richter seit 1948. Reinbeck 1983.
Fn. 4: Ingo Müller, Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz. München 1987.
Fn. 5: Vormbaum Buchbesprechung GA 1995, 146, 147.
Fn. 6: So Vormbaum, Aktuelle Bezüge nationalsozialistischer Gesetzgebung, in: Strafverfolgung und
Strafverzicht, Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Staatsanwaltschaft Schleswig-Holstein, S. 71 ff., 86.
Fn. 7: Mezger, Die materielle Rechtswidrigkeit im kommenden Strafrecht, in: ZStW 55 (1936), 1 ff., 9.
Fn. 8: Mezger, Kriminalpolitik und ihre kriminologischen Grundlagen, 3. Aufl., Stuttgart 1944, S. 26.
Fn. 9: Heinrich Henkel, Strafrichter und Gesetz im neuen Staat, Hamburg 1934, S.34.
Fn. 10: Schaffstein, Die Erneuerung des Jugendstrafrechts, Berlin 1937, S. 9, 10.
Fn. 11: Bruns, Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken, Berlin 1938, S. 332.
Fn. 12: Vgl. z.B. Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 24. Auflage, München 1991, § 242 Rdn. 31.
Fn. 13: Vgl. z.B. Festschrift für Edmund Mezger zum 70. Geburtstag (München 1954), Festschrift für Friedrich
Schaffstein zum 70. Geburtstag (Göttingen 1975), Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag (Köln
u.a. 1978).
Fn. 14: Teilweise wird die Biographie des Geehrten einfach weggelassen. In vorhandenen Lebensläufen
finden sich grob irreführende Feststellungen. Von Bruns heißt es beispielsweise in seiner Festschrift (Fn.13,
S.V), er habe sich den Wunsch, Hochschullehrer zu werden, "trotz mancher politischer Schwierigkeiten vor
und nach 1945" erfüllen können.
Fn. 15: Vgl. Naucke NJW 1988, 2873 in einer Rezension zu Ingo Müller, Furchtbare Juristen (vgl. Fn. 4).
Fn. 16: Naucke NJW 1988, 2873.
Fn. 17: Vormbaum Buchbesprechung GA 1995, S. 146, 148.
Fn. 18: Vormbaum (Fn.6), S. 72.
Fn. 19: Gesetz zur Änderung des StGB vom 4.9. 1941 (RGBl. I, 549).
Fn. 20: Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue
(Strafrechtsangleichungsverordnung) vom 29.5.1943 (RGBl. I, 339).
Fn. 21: Gesetz zur Abänderung strafrechtlicher Vorschriften vom 26.5.1933 (RGBl. I, 295).
Fn. 22: Gesetz zur Änderung des StGB vom 28.6.1935 (RGBl. I, 839).
Fn. 23: Gesetz zur Änderung des StGB vom 4.9.1941 (RGBl. I, 549).
Fn. 24: Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue
(Strafrechtsangleichungsverordnung) vom 29.5.1943 (RGBl. I, 339).
Fn. 25: Zweite Durchführungsverordnung zur Strafrechtsangleichungsverordnung vom 20.1.1944 (RGBl. I,
635).
Fn. 26: Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei
Verkehrsunfällen vom 2.4.1940 (RGBl. I, 606).
Fn. 27: Gesetz zur Abänderung strafrechtlicher Vorschriften vom 26.5.1933 (RGBl. I, 295).
Fn. 28: Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung
vom 24.11.1933 (RGBl. I, 995).
Fn. 29: BT-Drucksache I/2713 vom. 29.September 1952, S. 19.
Fn. 30: RGBl. I, S. 352.
Fn. 31: Vormbaum (Fn. 6), S. 72.
Fn. 32: Vormbaum (Fn. 6), S. 73.
Fn. 33: Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15.9.1935 (RGBl. I,
1146). Vgl.dazu Werle NJW 1995, 1267 ff.
Fn. 34: Dreizehnte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 1.7.1943 (RGBl. I, 372). Vgl. dazu Werle,
Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, Berlin 1989, S.449 ff.
Fn. 35: Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten
vom 4.12.1941 (RGBl.I, 759). Vgl. dazu Werle (Fn. 34), S. 351 ff., 699 ff.
Fn. 36: Vormbaum (Fn. 6), S. 72 f.
Fn. 37: So das Fazit von Werle (Fn. 34), S. 48
Fn. 38: Werle (Fn. 34), S. 45 f.
Fn. 39: Die Nachweise finden sich bei Werle (Fn. 34), S. 45 f.
Fn. 40: Vgl. dazu die Zusammenfassung und die Nachweise bei Werle (Fn. 34), S. 5 ff. einerseits, 36 ff.
andererseits. Gestritten wird dabei nicht über einzelne historische Fakten und Zusammenhänge, sondern über
die richtige "globalhistorische Sicht", über die richtige "Periodisierung", über die zusammenfassende
Bewertung der Gesamtentwicklung. Vgl. Vormbaum (Fn. 6), S. 85.
Fn. 41: Diese These hat sich zuletzt die Präsidentin des BVerfG, Limbach, mit den Worten zueigen
gemacht, es habe ein "12 Jahre dauernder beispielsloser Zivilisationsbruch" stattgefunden (DRiZ 1995,
167).
Fn. 42: Broszat, Der Nationalsozialismus, Stuttgart 1960, S. 46.
Fn. 43: Vormbaum (Fn.6), S. 85.
Fn. 44: Stolleis, Vorurteile und Werturteile der rechtshistorischen Forschung zum Nationalsozialismus, Teil
I. In: NS-Recht in historischer Perspektive. München/Wien 1981, S. 26
Fn. 45: Vormbaum Buchbesprechung GA 1995, 92, 94
Fn. 45:a Vormbaum (Fn.45), 92
Fn. 45:b Ramm, Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1974, S. 54
Fn. 45:c Ramm, (Fn.45b), S. 317
Fn. 46: Freisler, Nationalsozialistisches Recht und Rechtsdenken, Berlin 1938, S. 53
Fn. 47: Freisler (Fn. 46), S. 55
Fn. 48: Freisler (Fn. 46), S. 64
Fn. 49: Freisler (Fn. 46), S. 67
Fn. 50: Freisler (Fn. 46), S. 68
Fn. 51: Ebenso z.B. Werle NJW 1995, 1267. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 4. Aufl., Heidelberg
1991, u.a. S. 101.
Fn. 52: Freisler (Fn. 46), S. 54.
Fn. 53: Freisler (Fn. 46), S. 72 f.
Fn. 54: Freisler (Fn. 46), S. 53, 55, 57, 73
Fn. 55: RStGB vom 15.5.1871 (RGBl. 127 ff., 171).
Fn. 56: Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue
(Strafrechtsangleichungsverordnung) vom 29.5.1943 (RGBl. I, 339).
Fn. 57: AaO (Fn. 61). Vgl. auch die gleichlautende Bestimmung in § 253 Abs. 2 StGB (Erpressung).
Fn. 58: Drittes Strafrechtsänderungsgesetz vom 4.8.1953 (BGBl. I, 735).
Fn. 59: BGHSt 1, 84 ff., 85 f. (Hervorhebung im Original).
Fn. 60: BGHSt 2, 194 ff., 195.
Fn. 61: Der damit expressis verbis eingeräumte Verstoß gegen den Satz nulla poena sine lege, also das
Erfordernis der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafbarkeit, ist im Schrifttum soweit ersichtlich nicht auf
Widerspruch gestoßen.
Fn. 62: So BGHSt 35, 270 ff.
Fn. 63: BVerfGE 73, 206
Fn. 64: BVerfGE AaO(Fn.63).
Fn. 65: BVerfGE AaO(Fn.63).
Fn. 66: BVerfG NStZ 1995, 275.
Fn. 67: An der Rechtsprechung des Gerichts zur "Verwerflichkeit" hat sich durch diese Entscheidung
nichts geändert. Das BVerfG erklärt nicht etwa, § 240 Abs.2 StGB sei unbestimmt, sondern es schreibt
lediglich den Strafgerichten vor, bei Sitzblockaden die Anwendung von Gewalt zu verneinen.
Fn. 68: Vormbaum (Fn.6), S. 89: "So hart es klingt: Ein qualitativer Unterschied zwischen der Masse der
damals geltenden Strafrechtsnormen und dem heutigen Normenbestand ist nicht erkennbar".
Fn. 69: Vormbaum (Fn.6), S. 76
Fn. 70: Vormbaum (Fn.6), S. 76.
Fn. 71: Gesetz zur Änderung des StGB vom 4.9.1941 (RGBl. I, 549).
Fn. 72: Vgl. dazu z.B. Frommel, Die Bedeutung der Tätertypenlehre bei der Entstehung des § 211 StGB im
Jahre 1941. In: JZ 1981, 559 ff.
Fn. 73: Eser, in: Schönke/Schröder (Fn.12), § 211 Rdn.8.
Fn. 74: Die h.M. zaubert dabei mit subtilen Erwägungen ein Kaninchen aus dem Zylinder, das sie im Falle
des § 211 StGB "negative Typenkorrektur" nennt. Vgl. Eser, in: Schönke/Schröder (Fn. 12), § 211 Rdn. 10
m.w.Nachw.
Fn. 75: BVerfGE 45, 187 ff.: "Zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs gehört, daß
den zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich die Chance verbleibt, je wieder der Freiheit
teilhaftig zu werden". (Hervorhebung vom Verf.).
Fn. 76: RStGB vom 15.5.1871 (RGBl. 127 ff., 177 f.).
Fn. 77: Gesetz zur Abänderung strafrechtlicher Vorschriften vom 26.5.1933 (RGBl. I, S. 295).
Fn. 78: Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, 3.Aufl. Berlin 1991, § 54 II 2 b, S. 238.
Fn. 79: Otto (Fn. 78), 2 c, S. 238.
Fn. 80: Otto (Fn. 78), 2 d, S. 239.
Fn. 81: Roxin, Strafrecht Allg.T., Bd.1, 2. Auflage München 1994, § 6 Rdn. 13, S. 133.
Fn. 82: Roxin, aaO (Fn. 81), § 6 Rdn. 3, S. 127.
Fn. 83: Schaffstein (Fn. 10), S. 5 ff.
Fn. 84: Schaffstein (Fn. 10), S. 5.
Fn. 85: Vgl. z.B. Der Zweckgedanke im Strafrecht (u.a. erschienen in: Ostendorf (Hrsg.), Von der Rache
zur Zweckstrafe, 100 Jahre Marburger Programm, Frankfurt 1982): "Unschädlichmachung der nicht
besserungsfähigen Verbrecher" (S. 46). "Da wir köpfen und hängen nicht wollen und deportieren nicht können,
so bleibt nur die Einsperrung auf Lebenszeit (bez. auf unbestimmte Zeit)."
Fn. 86: Dahm, Verbrechen und Tatbestand, in: Larenz (Hrsg.), Grundfragen der neuen
Rechtswissenschaft, Berlin 1935, S.62 ff., 89.
Fn. 87: Hitler bezeichnete es als "einen der wichtigsten Sätze" der nationalsozialistischen
Strafrechtserneuerung, daß für den Versuch dieselbe Strafe zugelassen wurde wie für die vollendete Tat. Vgl.
Vormbaum (Fn. 6), S. 78
Fn. 88: Dahm (Fn. 86), S. 101 ff.
Fn. 89: Schaffstein, Das Verbrechen als Pflichtverletzung, in: Larenz (Hrsg.), Grundfragen (Fn. 86), S. 108
ff., 110.
Fn. 90: Schaffstein (Fn. 89), S. 123 f.
Fn. 91: Nagler, Festschrift für Binding, II, 1911, S. 273 ff.
Fn. 92: 10
Fn. 93: Roxin (Fn.81), § 10 Rdn. 94 S. 261 f. m.w.Nachw.
Fn. 94: Carl Schmitt DJZ 1935, 924
Fn. 95: Naucke, Die Aufhebung des strafrechtlichen Analogieverbots 1935. In: NS-Recht in historischer
Perspektive, München/Wien 1981, S. 92.
Fn. 96: Gesetz zur Änderung des StGB vom 28.6.1935 (RGBl. I, S. 839). Vgl. auch §§ 170 a, 267 a StPO
i.d.F.v. 1935.
Fn. 97: BGHSt 10, 375.
Fn. 98: Böhm NJW 1986, 176. Vgl. auch Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 2.
Auflage 1983, S. 91 Fn. 23: Unter "den einzelnen Auslegungsmitteln ... gebührt letztlich stets der
teleologischen Auslegung der Vorrang, und das wird im praktischen Ergebnis heute auch nahezu
allgemein berücksichtigt".
Fn. 99: Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht. Ein Beitrag zur strafrechtlichen
Methodenlehre. Bonn 1930.
Fn. 100: Schaffstein, Politische Strafrechtswissenschaft, Hamburg 1934, S.11.
Fn. 101: Schwinge/Zimmerl, Wesensschau und konkretes Ordnungsdenken im Strafrecht, Bonn 1937,
Vorwort.
Fn. 102: Ingo Müller (Fn. 4), S. 89.
Fn. 103: Ingo Müller (Fn. 4), S. 89
Fn. 104: Ingo
Fn. 105: H. Mayer SJZ 1947, 11, 16, 17
Fn. 106: Auch im englischen Recht käme niemand auf den Gedanken, dem Richter das Recht einzuräumen,
sich nach eigenem Gutdünken über Gesetze oder Vorentscheidungen hinwegzusetzen: "Seit dem
18.Jahrhundert gilt der Satz, daß, was das Parlament von Westminster beschlossen hat, als Recht
anzuwenden ist. Führt seine Anwendung zu unbefriedigenden Ergebnissen, so hält der Richter in seinem
Urteil mit seiner Kritik nicht zurück und gibt damit nicht selten den Anlaß zu einer Änderung des Gesetzes".
(Grünhut, in: Mezger/ Schönke/Jescheck, Das ausländische Strafrecht der Gegenwart, Bd. 3, Berlin 1959, S.
133 ff., 177). Zur Methode der Gesetzesauslegung in England vgl. z.B. H.P. Romberg, Die Richter Ihrer
Majestät, Stuttgart u.a. 1965, S. 205 ff., 215 ff. Romberg kommt (S.207) zu dem Ergebnis: "Weil sich nun
der (sc. englische) Richter so eng an den Wortlaut hält, muß der Gesetzgesetzer seine Absicht präziser
ausdrücken als der deutsche".
Fn. 110: So vor allem Naucke (Fn. 95), S. 96 ff.; ders,. ZStW 94 (1982) 525 ff. 554 ff.; ders., NS-Strafrecht
als Teil einer längeren Entwicklungslinie im Strafrecht ? in: Säcker (Hrsg.), Recht und Rechtslehre im
Nationalsozialismus, Baden-Baden 1992, S. 233 ff.; Marxen, Der Kampf gegen das liberale Strafrecht,
Berlin 1975, u.a. S. 275; Vormbaum (Fn. 6), S.87 f.
Fn. 111: Vgl. Vormbaum (Fn. 6), S. 89: "eben in der NS-Zeit einen herausragenden Höhepunkt erlebte".